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Mit Bio Jeans die Welt retten?

Greta und die  Fridays for Future Aktivisten haben es geschafft, dem Thema Umweltschutz die Dringlichkeit zu verleihen, die es verdient hat. Auch die Modebranche ist herausgefordert, neue Lösungen für nachhaltige Textilproduktion zu finden. Bio Jeans mit dem GOTS Siegel werden nach strengen Richtlinien hergestellt. Was macht Jeans aus Bio Baumwolle nachhaltig und welchen Impact hat die Produktion auf die Umwelt?

Foto: Nick Karvounis
Foto: Nick Karvounis

Welchen Beitrag leistet Bio Mode zum Umweltschutz?

 

 

Das Thema Umweltschutz nimmt Fahrt auf. Der Druck auf die Politik wird größer, endlich konsequente Maßnahmen zu ergreifen, um die drohende Klimakatastrophe  abzuwenden. Wie aber sieht es in Textilbranche aus? Können Konsumenten einen Beitrag zur Rettung unseres blauen Planeten leisten, indem sie Bio Mode kaufen? Bietet Bio Mode erfolgsversprechende Umsatzchancen für Fashion Startups? Wird sich nachhaltige Mode endlich aus der Nische heraus in Richtung Mainstream entwickeln? Ich möchte hier am Beispiel einer Bio Jeans aufzeigen, welchen Beitrag Bio Mode zum Umweltschutz leisten kann und was es mit der nachhaltigen Produktion auf sich hat.

Voll im Trend: Organic Denim

Nachhaltige Mode hat viele Facetten, Bio-Kleidung ist nur eine davon. Was bei Nahrungsmitteln für viele von uns schon eine Selbstverständlichkeit geworden ist, gewinnt auch in der Textilbranche an Bedeutung: Die Nachfrage nach Baumwollstoffen aus kontrolliert biologischem Anbau wächst langsam, aber kontinuierlich. Große Textilhersteller haben sich verpflichtet, in ihre Sortimente ein festgelegtes Kontingent an Organic Cotton  einzuspeisen und bieten Basic Shirts zu günstigen Preisen an. Aus Herstellersicht ist es recht einfach, T-Shirts aus Bio Baumwolle zu produzieren. Bei Jeans sieht das schon anders aus. Ich habe bereits viele Jeansfabriken in den verschiedenen Ländern wie China, Türkei, Marokko und Bangladesh besucht und weiß: Viele Herstellungsschritte, Zutaten  und nicht zuletzt der Waschprozess sorgen für Komplexität.  Das mag der Grund sein, warum sich bisher nur wenige Brands an zertifizierte Bio Jeans herangewagt haben wie zum Beispiel die deutsche Marke Fair Jeans.


Familien in Burkina Faso bei der Baumwollernte. Foto: Ulrike Reichert
Familien in Burkina Faso bei der Baumwollernte. Foto: Ulrike Reichert

Gut für Mensch und Umwelt: Anbau von Bio Baumwolle

Basis für die Herstellung einer Bio Jeans ist Organic Cotton, auch kbA Baumwolle (Bio Baumwolle aus kontrolliertem Anbau) genannt. Bereits bei der Auswahl des Saatguts legen Zertifizierer wie GOTS strenge Regeln an: Die Samen dürfen zum Beispiel nicht durch Gentechnik verändert sein. Anders als beim Anbau konventioneller Baumwolle verzichten die Bauern auf gefährliche Schädlingsbekämpfungsmittel. Das hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt, sondern schützt die auf den Feldern arbeitenden Bauern und ihre Familien. Ein abwechslungsreicher Fruchtwechsel und natürlicher Dünger laugen die Böden weniger aus, schonen das Grundwasser und reduzieren den Schädlingsbefall. Wenn  die Bio Baumwolle herangereift ist, werden die Faserbüschel einzeln von Hand gepflückt. Die bei der Ernte konventioneller Baumwolle eingesetzten giftigen  Entlaubungsmittel dürfen auf den Bio-Baumwoll-Feldern nämlich nicht verwendet werden. Ein weiterer Vorteil: „Handgepflückte Baumwolle“ ist qualitativ hochwertiger als maschinell geerntete Baumwolle, da sie weniger Verunreinigungen  enthält.

Organic Cotton hat also folgenden positiven Impact auf die Umwelt:

  • Saatgut ohne Gentechnik
  • Keine  Pestizide in den Böden
  • Die Böden bleiben fruchtbar
  • Keine Gesundheitsrisiken für die Bauern
  • ABER: Baumwollpflanzen haben grundsätzlich einen hohen Wasserverbrauch!

Der kontrollierte Anbau von Bio Baumwolle ist übrigens nicht der einzige Weg, den Rohstoff auf nachhaltige Weise zu produzieren. Organisationen wie Cotton made in Africa (CmiA) oder die Better Cotton Initiative (BCI) zielen darauf ab, die Baumwoll-Farmer in den Entwicklungsländern zu schulen, sie zu fördern und ihnen durch die Hilfe zur Selbsthilfe ein gesichertes Auskommen zu ermöglichen.


GOTS: Globaler Standard für umweltfreundliche und sozial verträgliche Textilproduktion

Der unabhängige und weltweit anerkannte GOTS Standard macht den kompletten Prozess vom Anbau über die Weiterverarbeitung der Bio Baumwolle bis zum fertigen Produkt transparent. GOTS hat strenge Richtlinien für eine umweltfreundliche und sozialverträgliche Produktion von Bio Kleidung und kontrolliert den gesamten Fertigungsprozess. Ausschließlich Produkte mit einem Anteil von  mindestens 95 Prozent Bio Baumwolle dürfen das geschützte GOTS Label tragen. Schädliche chemische Zusätze dürfen in der Verarbeitung der Rohbaumwolle zu Garnen und Stoffen nicht verwendet werden. Chlorbleiche und giftige oder ätzende Farbstoffe sind verboten. Die Produktionsstätten werden regelmäßig auditiert und müssen ein überzeugendes Umwelt-und Abwassermanagement vorweisen. Auch soziale Kriterien werden durch das GOTS Siegel abgedeckt. In regelmäßigen Kontrollbesuchen wird  zum Beispiel überprüft, dass keine Kinderarbeit geleistet wird, gesetzliche Mindestlöhne gezahlt werden, geregelte Arbeitszeiten in einer sicheren Arbeitsumgebung gewährleistet  sind, Gleichberechtigung herrscht  und Versammlungsfreiheit für die Arbeiter ermöglicht wird. Die Gültigkeit eines Zertifikates  kannst Du übrigens jederzeit anhand der auf dem Label abgedruckten Lizenznummer überprüfen. Dazu brauchst Du nur die Daten in der öffentlichen GOTS Datenbank online einzugeben. 

 


So entstehen Bio Jeans

Auf unzähligen  Einkaufsreisen für ein Hamburger Modeunternehmen konnte ich mich vor Ort überzeugen: Die Herstellung einer Jeans ist komplex und beinhaltet viele einzelne Produktionsschritte. Bereits der Zuschnitt der Hose beinhaltet mehr Teile als der eines T-Shirts. Dazu kommen Accessoires wie Garn, Nieten, Reißverschlüsse, Knöpfe und Labels, die nach dem GOTS Standard ebenfalls strengen  Anforderungen unterliegen. Schließlich sind aufwendige Waschprozesse nötig, um aus dem dunklen „Raw Denim“ eine Jeans in der beliebten Used-Optik  zu machen. Chemikalien und Sandstrahltechniken, wie sie in der konventionellen Jeansproduktion verwendet werden, sind für Öko Jeans tabu. Hast du schon mal versucht, zu Hause mit Chlorbleiche ein Kleidungsstück zu entfärben? Dann weißt du ungefähr, wovon ich hier rede. 

Noch vor zehn Jahren konnte ich beobachten, wie einzelne Arbeiter kunstvoll mit Drahtbürsten und Schleifmaschinen die gewünschten Abnutzungseffekte auf jede einzelne  Jeans aufbrachten. Heute gibt es riesige, vollautomatische Jeansfabriken, die an futuristische  Labore erinnern. Hochmoderne Anlagen wie zum Beispiel die Artistic Denim Mill in Pakistan  verwenden Lasertechnologien, um in die Jeans die beliebten Destroyed-Effekte einzubrennen. Anschließend werden die bearbeiteten Jeans in große Waschtrommeln gefüllt und auf den gewünschten Farbton herunter gewaschen. Hinzugegeben werden Bimssteine und Bleichmittel. Sie sorgen bei konventionell produzierten  Jeans für den Stone-Washed Effekt. In der ökologischen Jeansproduktion  übernehmen immer häufiger Enzyme diesen Vorgang. Abwässer, die mit Indigo-Farbe, Enzymen oder Steinabrieb versetzt sind, dürfen natürlich nicht ungeklärt nicht in den nächsten Fluß abgeleitet werden. Die Zertifizierer von GOTS überprüfen vor Ort, ob spezielle Kläranlagen und ein professionelles  Abwasser-Management vorhanden sind.

 

In diesem Video siehst du, wie moderne  Jeansfabriken heute aussehen:



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Nachhaltige Verpackung aus Graspapier

Verpackung und Transport: Darauf kommt es bei Bio Jeans an

Bevor nun die nachhaltig produzierten Jeans die Fabrik verlassen, werden sie getrocknet, gebügelt, etikettiert und verpackt. Auch hierbei sind strenge Regeln zu beachten, um das GOTS Zertifikat zu erhalten. Dazu gehören zum Beispiel kompostierbare oder plastikfreie Verpackung sowie Etiketten und Cartonagen aus FSC Papier. Wie lang der Transportweg der Jeans an ihren Bestimmungsort ist, beeinflusst natürlich den CO2 Verbrauch und damit den ökologische Fußabdruck des Produkts. Ökologische Jeans aus der Türkei oder Nordafrika, die innerhalb weniger Tage mit dem LKW transportiert werden können, haben einen deutlichen Vorteil gegenüber den Lieferungen aus China, Pakistan oder Bangladesh.

 


Wie umweltfreundlich ist Organic Denim wirklich?

Jeans aus biologisch angebauter Baumwolle sind im Vergleich zu konventionell gefertigten Denims durchaus nachhaltiger. Das Naturprodukt Baumwolle ist lange haltbar und biologisch abbaubar. Der kontrolliert biologische Anbau von Bio Baumwolle vermeidet schwerwiegende Umweltbelastungen. Für eine umweltverträgliche und sozial verantwortliche Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette sorgt der anspruchsvolle GOTS Standard. Da aber die Baumwollpflanze sehr durstig ist, benötigt sie beim Anbau viel Wasser. Das betrifft Organic Cotton genauso wie konventionelle Baumwolle. Auch in der Jeansprodukton ist der Wasserverbrauch verhältnismäßig hoch. Um dem entgegen zu wirken, setzt Levis® zum Beispiel auf die sogenannte Waterless Technologie, die 60 Prozent Wasser bei der Herstellung einer Jeans sparen soll.

 Die nachhaltige Jeansmarke Nudie verkauft rohe ungewaschene Jeans („Dry Jeans“) und überlässt es den Kunden, ihre Jeans im Trageprozess natürlich altern zu lassen. 

Wie nachhaltig eine Baumwoll-Jeans insgesamt wirklich ist, wird letztendlich auch durch den  Transportweg beeinflusst: Je kürzer der Weg, desto besser die CO2 Bilanz. Das Ursprungsland der nachhaltigen Jeans spielt also eine große Rolle für die Öko-Bilanz. Aber auch dann, wenn Du die Jeans in den Händen hältst, kannst Du noch einiges tun.

 


Foto: Sarah Richter Art
Foto: Sarah Richter Art

Für die Greta in dir: Tipps für einen achtsamen Umgang mit Mode

Das Thema Umweltschutz geht nicht nur die Politiker etwas an. Zwar können wir Konsumenten allein durch Kaufentscheidungen nicht unseren blauen Planeten retten, wir können aber die Auswirkungen unseres Konsumverhaltens überdenken. Wieviel Greta steckt in dir, wenn es um Mode geht? Wenn du mit Kleidung in Zukunft achtsamer umgehen möchtest, achte auf ökologische Produkte mit anerkannten Zertifikaten. Vielleicht findest du es ja auch nicht mehr zeitgemäß, unbedingt jeden Trend mitzumachen. Mode mit Verfallsdatum kann jedenfalls nicht nachhaltig sein. Die Berge von unverkäuflichen Textilien in den Lagern der Modehändler sprechen Bände. Investiere lieber in langlebige und qualitativ hochwertige Mode, die auch in der nächsten Saison noch tragbar sind. Wenn du deine Bio Jeans dann nicht zu häufig und bei möglichst niedrigen Temperaturen wäschst, bist du auf dem richtigen Weg.

Einige Brands wie Nudie Jeans bieten einen Reparaturservice für deine kaputten Denims an, Promod veröffentlichte gerade upcycling Tutorials, wie du den abgelegten Jeanshosen  zu neuem Leben verhelfen kannst.

Hast du deine alte Nähmaschine schon herausgeholt?